Was uns aktuell bewegt: Stadt-Umland-Atlas Hamburg

Mehr als ein Buch. Eine außergewöhnliche Publikation, die den Umgang mit Karten und Daten und den Blick auf rĂ€umliche Verflechtungen auf eine neue Ebene hebt.

Im Herbst 2025 erschien der Stadt-Umland-Atlas Hamburg im JOVIS Verlag – Ergebnis von zweieinhalb Jahren gemeinsamer Arbeit, das uns einmal mehr gezeigt hat, wie essentiell Daten sind, um die KomplexitĂ€t von Stadt zu verstehen. 

Im Auftrag und in Zusammenarbeit mit der Hamburger Behörde fĂŒr Stadtentwicklung und Wohnen Hamburg (BSW) haben wir ĂŒber 150 DatensĂ€tze aus drei BundeslĂ€ndern in mehr als 300 Karten und Abbildungen vereint. Sie zeichnen ein umfassendes Bild rĂ€umlicher Dynamiken ĂŒber Grenzen hinweg. Der Atlas ist dabei mehr als eine Kartensammlung – er erzĂ€hlt Geschichten und regt zu Diskussionen ĂŒber die kĂŒnftige Entwicklung Hamburgs mit seinem Umland an. Er dient als Grundlage fĂŒr das rĂ€umliche Leitbild und steht bald auch online als Open Data bereit. Als Hardcover-Ausgabe sowie digitales PDF ist der Atlas hier erhĂ€ltlich.

Mehrere Exemplare des blauen Buches ‚Stadt Umland Atlas Hamburg‘ liegen aufeinander gestapelt.
Teilnehmende eines Workshops stehen vor einer Wand mit Karten und PlÀnen und diskutieren gemeinsam Details, auf die eine Person zeigt.
Der Atlas als Gemeinschaftswerk: Schulterblick der Fachexpert*innen

Sachliche Diskussionen brauchen objektive Entscheidungsgrundlagen

Die Planung von StĂ€dten wird zunehmend komplexer. Hamburg steht wie viele wachsende Metropolen vor drĂ€ngenden gesellschaftlichen Zukunftsfragen: Klimaschutz, MobilitĂ€tswende, Bevölkerungswachstum und bezahlbarer Wohnraum wirken weit ĂŒber die Stadt- und Landesgrenzen hinaus. Um diese Herausforderungen zu meistern, braucht es verlĂ€ssliche, datengestĂŒtzte und möglichst objektive Entscheidungsgrundlagen. Insbesondere in emotional gefĂŒhrten Debatten ermöglicht eine neutrale Darstellung des Raums Orientierung und schafft die Basis fĂŒr sachliche Diskussionen. Sie eröffnet einen neuen Blick auf das große Ganze, macht rĂ€umliche Dynamiken nachvollziehbar und liefert eine zugĂ€ngliche Grundlage fĂŒr Politik, Verwaltung, Fachwelt und Bevölkerung. Die Aggregation und Aufbereitung rĂ€umlicher Daten war daher selten so wichtig und aufgrund von Inkonsistenzen selten so herausfordernd wie heute – als Fundament fĂŒr verlĂ€ssliche Entscheidungen und nachhaltige Stadtentwicklung.

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In anspruchsvoll visualisierten, ĂŒbersichtlichen Karten, ausgefĂŒhrt in verschiedenen Abstraktionsgraden und flankiert mit einer fachlich versierten, redaktionellen Begleitung ist es uns gelungen, Unmengen an Daten sprachfĂ€hig zu machen.

Lost in Translation: Von DatensÀtzen zu Datengeschichten

WÀhrend die europÀischen Nachbarn wie Frankreich, Spanien, Estland oder DÀnemark klare Vorreiter in der Open-Data- und Open-Goverment-Entwicklung sind, hat Deutschland insbesondere in Bereichen wie Datennutzung und -zugang durchaus noch Aufholpotenzial. Dennoch wurden in den letzten Jahren wichtige Schritte in die richtige Richtung gemacht: So sind enorme DatenbestÀnde auf unterschiedlichen Ebenen vorhanden, viele von ihnen sogar öffentlich zugÀnglich. In Letzterem nimmt Hamburg bundesweit eine Vorreiterrolle ein.

Doch das schlichte Vorhandensein von Daten allein reicht fĂŒr die Lösung komplexer planerischer Fragestellungen nicht aus. Was es braucht, ist eine verstĂ€ndliche Aufbereitung, einen intelligenten Umgang mit DatenlĂŒcken und die Einordnung in den richtigen Kontext. Kurz gesagt: Kompetenz in Kartografie, Datenaufbereitung, GIS, Design, Kommunikation und Stadtplanung gleichermaßen. Der Stadt-Umland-Atlas spiegelt unsere Kompetenz in diesem Feld in 17 Kapiteln wider. In anspruchsvoll visualisierten, ĂŒbersichtlichen Karten, ausgefĂŒhrt in verschiedenen Abstraktionsgraden und flankiert mit einer fachlich versierten, redaktionellen Begleitung ist es uns gelungen, Unmengen an Daten sprachfĂ€hig zu machen. Im Atlas erzĂ€hlen sie erste Geschichten, die die Basis fĂŒr weitere Fragen und Verhandlungen im Raum bilden können.

Person arbeitet am Computer mit zwei Monitoren, auf denen Karten und Datenanalysen angezeigt werden.
Von Daten zu Karten – Die Entstehung des Atlas
Zwei Personen betrachten in einem historischen GebÀude Ausstellungstafeln mit Karten und Texten zur Stadt- und Umlandentwicklung

Spannende Geschichten finden sich ĂŒberall. Wir können sie erzĂ€hlen.

Der Atlas ist ein besonderes Werk, in seiner KomplexitĂ€t vielleicht sogar ein once-in-a-lifetime-Produkt, das nur wenige StĂ€dte oder Regionen in Angriff nehmen können. Was uns die Arbeit am Atlas aber gezeigt hat: Daten sind nicht langweilig – nie. Es braucht jedoch jemanden, der sie dazu befĂ€higt, spannende Geschichten zu erzĂ€hlen. Sei es auf kommunaler Ebene, im Stiftungskontext oder in der Immobilienwirtschaft. Wir sind bereit und vor allem in der Lage dazu, DatenbestĂ€nde so aufzubereiten, dass ihre Geschichten begeistern, zum Eintauchen und Mitgestalten einladen und den Datensatz von heute in der Stadt von ĂŒbermorgen weiter schreiben. Dabei kann der Fokus auch auf einzelnen Themenschwerpunkten liegen. 

Wir sind uns sicher: An Daten mangelt es niemandem und nirgendwo. Wenn ihr also zeigen wollt, was euren Standort, eure Branche aktuell bewegt, euch aber die HĂ€nde gebunden sind, da ihr die Sprache der Daten nicht sprecht – die Auswertung und Übersetzung euch nicht gelingt, dann: Lasst uns sprechen! Lasst uns eure Datenstories erzĂ€hlen. 

Na, neugierig? - Hier gibtÂŽs alle wichtigen
Links zum Atlas

Der Stadt-Umland-Atlas Hamburg ist im Buchhandel unter der ISBN 978-3-98612-230-0 erhĂ€ltlich. Das OpenAccess-E-Book steht unter der ISBN 978-3-98612-279-9 und DOI 10.1515/9783986122799 direkt beim Verlag kostenlos zum Download zur VerfĂŒgung.

Vom 11. bis 29. November 2025 werden ausgewÀhlte Inhalte des Atlas im Rahmen einer Ausstellung in der BallinStadt prÀsentiert. Der Eintritt ist kostenfrei, weitere Infos folgen.

Im GesprĂ€ch mit Dr. Julian Petrin, GrĂŒnder und Partner bei urbanista

Wie schwierig ist es 2025 an gute Daten zu kommen? RĂ€umliche Daten gibt es ja in großer Menge – bei Behörden, Instituten, Plattformen. Aber liegen sie so vor, dass man daraus direkt einen Atlas bauen kann?

Die VerfĂŒgbarkeit von Daten haben wir zu Beginn des Projektes zu positiv eingeschĂ€tzt. Zwar konnten wir in der Vorrecherche viele Open-Data-BestĂ€nde einbinden, bei der weiteren Bearbeitung zeigten sich jedoch deutliche Inkonsistenzen. FĂŒr den Atlas mussten wir Daten aus Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zusammenfĂŒhren – mit unterschiedlichen Strukturen, Detailtiefen und Parametern. Ein erheblicher Teil der Arbeit floss daher in die Harmonisierung der DatensĂ€tze. Zudem fehlten in manchen Bereichen kleinrĂ€umige Informationen. FĂŒr Analysen auf Stadtteil- oder Gemeindeebene mussten wir auf zusĂ€tzliche Quellen zurĂŒckgreifen – etwa Zensusdaten, Daten der Kammern oder zugekaufte BestĂ€nde. GrundsĂ€tzlich ist das heutige Niveau beachtlich: Ein Atlas in diesem Umfang wĂ€re vor zehn Jahren undenkbar gewesen. Von einer durchgĂ€ngig standardisierten Datenlandschaft, in der sich GIS-Daten mit wenigen Klicks nahtlos integrieren lassen, sind wir jedoch noch weit entfernt.

Erstens braucht es eine konsequente Standardisierung öffentlicher Daten: gleiche Informationstiefe, gleiche QualitĂ€t und eine koordinierte Entwicklung zwischen den BundeslĂ€ndern. Zweitens sollte die ZugĂ€nglichkeit verbessert werden – oft existieren die relevanten Daten, sind aber schwer auffindbar, nicht in geeigneten Formaten oder unzureichend dokumentiert. Drittens stellt sich die Frage nach der Integration weiterer DatenbestĂ€nde, etwa aus dem Immobilienmarkt. Hier berĂŒhrt man Fragen von Datenrechten und Urheberschaft, gleichzeitig besteht ein öffentliches Interesse an verlĂ€sslichen, generalisierten Übersichten. Auch bei amtlichen Quellen wie dem Zensus ist der Sprung von stark aggregierten Daten hin zu kleinrĂ€umigen Analysen noch mit erheblichem Aufwand verbunden. Langfristig wĂ€re hier mehr Offenheit und Konsistenz wĂŒnschenswert.

Werden StĂ€dte bald von Algorithmen geplant? Datengetriebene Stadtentwicklung ist in aller Munde. Wo stehen wir beim Data Driven Urbanism – und wie nah ist die Vision, dass KĂŒnstliche Intelligenz kĂŒnftig eigenstĂ€ndig Karten erstellt und Planungsempfehlungen gibt?

Ich glaube nicht, dass es kurzfristig eine KI geben wird, die auf Zuruf sĂ€mtliche Daten zusammentrĂ€gt, auswertet und unmittelbar nutzbare Karten erstellt. Erste Anwendungen existieren zwar bereits, doch sie stoßen schnell an Grenzen. Vor allem fĂŒr ein Produkt, das eine Geschichte erzĂ€hlen möchte, gilt: Das reine Zusammenladen und Visualisieren von DatensĂ€tzen – wie wir es aus Geoportalen kennen – liefert meist noch keinen Mehrwert: Man erhĂ€lt eine Vielzahl von Ebenen, die ohne Kontext kaum interpretierbar sind. Entscheidend ist vielmehr, verschiedene Quellen zueinander in Beziehung zu setzen, die richtige Darstellungsform zu wĂ€hlen und Daten sinnvoll zu verschneiden oder zu aggregieren. Hier braucht es eine kuratorische Entscheidung: Welche Aussage soll eine Karte transportieren? Welche RĂ€ume möchte ich sichtbar machen – etwa in Bezug auf KlimavulnerabilitĂ€t?

Damit aus Daten eine Geschichte wird, reicht es nicht, Informationen ĂŒbereinanderzulegen. Man muss sich fragen: Warum erstelle ich diese Karte? Was ist mein Erkenntnisinteresse? Und anschließend prĂŒfen: Beantwortet mir die Karte diese Frage – oder bleibt sie ein visuelles Rauschen? Genau in dieser Übersetzung von Daten zu einer klaren Aussage liegt der entscheidende Schritt. Deshalb sprechen wir von Data Stories oder Story Maps: Es geht darum, Daten methodisch zu interpretieren und grafisch so aufzubereiten, dass sie tatsĂ€chlich eine nachvollziehbare Geschichte erzĂ€hlen. Diese narrative und gestalterische Ebene lĂ€sst sich durch Automatisierung auf absehbare Zeit nicht ersetzen.

Der Atlas besteht ja nicht nur aus einer Sammlung von Karten, sondern hat eine Buchstruktur mit Kapiteln und Themenschwerpunkten. Wie habt ihr den Aufbau entwickelt und Entscheidungen fĂŒr oder gegen bestimmte Themen und DatensĂ€tze getroffen?

Der Atlas soll als beschreibend-analytische Grundlage fĂŒr den rĂ€umlichen Leitbildprozess der Stadt Hamburg dienen, den Urbanista im Anschluss an die Veröffentlichung begleitet. Daher haben wir uns frĂŒh gefragt: Welche Themenfelder sind fĂŒr diesen Prozess relevant? In einem Workshop haben wir eine erste Themenstruktur erarbeitet, die als Orientierung diente. Da nahezu alle Felder der Stadtentwicklung im Leitbildprozess eine Rolle spielen, entstand eine relativ breite Kapitelstruktur. Wichtig war dabei, diese Struktur nicht als starres Raster zu verstehen. Sie war zunĂ€chst eine Arbeitshypothese. In der anschließenden Datenrecherche – der aufwendigsten Phase – haben wir geprĂŒft, welche Daten tatsĂ€chlich verfĂŒgbar und aussagekrĂ€ftig sind. Dabei zeigte sich, wie bereits eingangs erwĂ€hnt, dass nicht alle Daten die gewĂŒnschte Geschichte erzĂ€hlen oder in der benötigten Tiefe vorliegen. Entsprechend haben wir Kapitel angepasst, erweitert oder inhaltlich geschĂ€rft. Teilweise wurden Schwerpunkte erst im Verlauf des Prozesses ergĂ€nzt, wenn sich bei ersten EntwĂŒrfen LĂŒcken abzeichneten.

WĂ€re ein Atlas oder zumindest Story Maps nicht fĂŒr jede Stadt ein wichtiges Instrument?

Ein Atlas erlaubt es, die eigene Stadt in einer Art „Röntgenbild“ zu betrachten und vermeintlich Bekanntes neu zu sehen. FĂŒr Hamburg zeigte sich etwa, dass Arbeiten und Wohnen in Einfamilienhausgebieten der Ă€ußeren Stadtteile deutlich stĂ€rker durchmischt sind, als lange angenommen. Solche Befunde verĂ€ndern die planerische Perspektive: Statt diese Quartiere als reine SchlafstĂ€dte abzuwerten, können sie als PotenzialrĂ€ume fĂŒr neue Arbeitsformen erkannt und entwickelt werden. Gerade kleinrĂ€umige Analysen eröffnen solche Einsichten, die auf aggregierter Ebene verborgen bleiben. NatĂŒrlich sind die Ergebnisse nie vollstĂ€ndig objektiv, doch sie geben wertvolle Hinweise, wo genauer hingeschaut werden sollte – vergleichbar mit einem medizinischen Befund. Der eigentliche Mehrwert liegt darin, dass Daten eine Grundlage fĂŒr vertiefte Diskussionen schaffen. Wichtig ist, sie nicht als mechanische Handlungsanweisungen zu verstehen: Karten und Daten sprechen keine endgĂŒltige Wahrheit. Erst durch Interpretation, Austausch und strategische AbwĂ€gung werden sie zu einem wirkungsvollen Werkzeug fĂŒr die Stadtentwicklung. 

Fakt ist: Ein Atlas ist ein Großprojekt, das nicht jede Kommune in diesem Umfang leisten kann. Wir ĂŒberlegen daher intensiv, welche Modelle es geben könnte, damit auch kleinere Kommunen, die keinen großen Prozess anstoßen, in Ă€hnlicher Form Zugang zu solchen Visualisierungen und Karten ĂŒber ihren eigenen Zustand erhalten.

Worin unterscheidet sich euer Ansatz in der Arbeit mit Daten und Story Maps von anderen Akteuren?

Unser Ansatz ist nicht rein daten- oder technikorientiert, sondern geprĂ€gt von unserer Rolle als Planer:innen. Wir nutzen Daten so, wie sie uns selbst in der Stadtentwicklung weiterhelfen wĂŒrden – nicht als Selbstzweck der Visualisierung, sondern als Grundlage fĂŒr bessere Entscheidungen. Besonders wichtig ist uns die erzĂ€hlerische Ebene: Karten sollen kleine Geschichten transportieren, die komplexe ZusammenhĂ€nge verstĂ€ndlich machen. Damit unterscheiden wir uns von klassischen Visualisierungsagenturen. Man könnte sagen: Wir sind wie Fahrradentwickler:innen, die selbst Rennen fahren – wir wissen, welche „Performance“ eine Karte fĂŒr die Planung bringen muss. DarĂŒber hinaus verstehen wir den Atlas nicht nur als Produkt, sondern als Dialogwerkzeug. Schon im Entstehungsprozess binden wir Fachbehörden und Stakeholder ein, spiegeln Zwischenergebnisse und diskutieren Datenwahl und -aussagen. Der Atlas ist damit auch Phase Null eines grĂ¶ĂŸeren Prozesses – ein Instrument, das von Beginn an Beteiligung und Austausch anstĂ¶ĂŸt. Das gilt ĂŒbrigens auch fĂŒr die Zusammenarbiet mit privatwirtschaftlichen Akteuren wie Wohnungsbaugesellschaften oder Immobilienentwicklern: Relevante Fachbereiche und lokale Akteure mĂŒssen frĂŒhzeitig eingebunden werden, um den Blick auf RĂ€ume und StandortqualitĂ€ten zu schĂ€rfen. Ein Atlas oder eine Story Map ist immer auch ein Anlass, innerhalb einer Organisation ins GesprĂ€ch zu kommen – nicht erst am Ende, sondern bereits im Entstehungsprozess. Unsere StĂ€rke liegt darin, diesen Austausch methodisch zu gestalten, planerisch zu ĂŒbersetzen und visuell ĂŒberzeugend aufzubereiten. Damit unterscheiden wir uns deutlich von klassischen Data-Science-Anbietern: Wir verbinden Datenkompetenz mit Planungserfahrung, DesignqualitĂ€t und GlaubwĂŒrdigkeit im Dialog.

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